9.12.2005

SOS

Ich darf sein, wie ich bin
und werde dennoch
nicht allein gelassen.

Hannes 17 Jahre
(Jahrbuch 2006, SOS Kinderdorf in Deutschland
S. 30)

Sie geht mir nicht aus dem Kopf.
Ihr Zustand macht mich traurig.

Ein Häufchen Elend saß vor mir, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen Hand ein Glas mit Bier. Große, traurige Augen, aus denen die Tränen kullern. Ein weicher Mund, der zuckt beim anklagenden Sprechen.
Die Anderen sind schuld.
Die Anderen ließen mich nicht mitspielen als ich klein war, und als ich in die Schule ging.
Ich sei ihnen zu dick, sagten sie.

Ich lernte: Wenn ich geliebt werden will, muss ich dünn sein.
Also hungerte ich. Endlich war ich dünn. Jetzt habe ich wieder drei Kilo zugenommen. Jetzt bin ich wieder hässlich.

Mein Mann liebt mich nicht.
Meine Tochter liebt mich nicht.
Meine „Freunde“ lieben mich nicht.

Das tut weh.
Ich trinke, wenn es weh tut.
Ich trinke nicht und halte den Schmerz aus, wenn ich dafür etwas bekomme, z.B. ein selbst gesetztes Ziel erreiche.

Ich bleibe zu Hause.
Ich bleibe in meinem Zimmer.
Manchmal gehe ich abends aus, zu meinen „Freunden“.
Sie trinken alle. Also trinke ich auch.
Mein Schmerz hat dann freie Bahn sich auszutoben.
Ich verletze die Menschen, die mich lieben möchten.
Ich bleibe alleine und trinke und hungere und rauche.